Eine geglückte Nachfolgelösung fordert in der Regel einen mehrjährigen Umsetzungsplan – die Faustregel sagt fünf Jahre. Für Unternehmerfamilien geht es dabei um die Zukunft ihres Lebenswerkes. «Wenn die Zeit reif ist, werde ich mir schon Gedanken über meine Nachfolge machen.» Im KMU-Land Schweiz gehören solche Aussagen zum Alltag. Doch nicht der Stichtag ist bei einer Nachfolge entscheidend, sondern der vorgelagerte Prozess. Da lohnt es sich, acht wichtige Regeln frühzeitig zu beachten.
«Fünf Jahre vorher ist der ideale Zeitpunkt», sagt Thomas Zimmermann, Nachfolge-Experte vom Raiffeisen Unternehmerzentrum RUZ. Sein wichtigster Leitsatz: «Die Nachfolgeregelung ist zu wichtig, um es dem Zufall zu überlassen.» Zimmermann, selbst ehemaliger Metallbau-Unternehmer, erklärt die acht Regeln zur erfolgreichen Vorbereitung.
- Regel 1: Entrümpeln
Eine Nachfolge ist ähnlich wie ein Umzug: die Gelegenheit, sich von Nichtnotwendigem zu trennen. Das Unternehmen muss am Tag X in optimal verkaufsfähigem Zustand sein. Verkaufsfähig bedeutet fit und schlank. Fit im Sinne einer internen, organisatorischen Entrümpelung, schlank im Sinne der Befreiung von nicht Betriebsnotwendigem: nicht-betriebsnotwendige Liegenschaften, Beteiligungen, Kooperationen mit anderen Firmen oder Familienmitglieder auf Lohnlisten, die gar nicht arbeiten. Der Käufer will normalerweise keinen Gemischtwarenladen, sondern eine Firma mit dem klaren Fokus auf das Kerngeschäft.
Schliesslich muss man sich auch frühzeitig mit dem Thema Liquidität befassen. Viele Firmen haben zu viel Liquidität. Der künftige Käufer will kein Geld kaufen. Alle erwähnten Dimensionen der Entrümpelung haben steuerliche Auswirkungen. Fünf Jahre vor der geplanten Übergabe kann diese Problematik gezielt angegangen werden.
- Regel 2: Vorsorgeplanung
Mit der AHV, Pensionskasse und dem freien Vermögen soll in der Rente der bisherige Lebensstandard gehalten werden können. Kann sich der bisherige Firmeninhaber diesen mit dem Verkauf seines Unternehmens langfristig überhaupt leisten? Diese Frage klingt für viele absurd, aber die wenigsten befassen sich frühzeitig mit der neutralen Vorsorgeanalyse. Durch eine mangelnde Vorsorgeplanung kann es kurz vor dem eigentlichen Verkauf zu negativen Überraschungen kommen und das Geld für den Ruhestand fehlt. Es geht darum, die Vorsorge zu analysieren, mögliche Deckungslücken frühzeitig zu erschliessen und überschüssige Liquidität des Unternehmens steuerfrei in die Pensionskasse einzuzahlen.
- Regel 3: modern bleiben
Das Unternehmertum ist in ständigem Wandel – ein Fakt, der bei der Firmenübergabe eine zentrale Rolle spielt. Manche Unternehmerinnen und Unternehmer sind schon Jahre vor der eigentlichen Nachfolge bzgl. Investitionen sehr zurückhaltend. Dies schmälert nicht nur den Verkaufswert, sondern, noch fast wichtiger, die Anzahl von potentiellen Übernehmenden. Gewisse Branchen werden sich in fünf Jahren in einer komplett veränderten Realität wiederfinden. Darauf muss man sich heute vorbereiten. Künftige Übernehmende wollen ein modernes Unternehmen kaufen, welches über einen zeit- und zweckmässigen Maschinenpark und geschultes Personal verfügt. Die Weiterbildung der Mitarbeitenden ist ein permanentes Thema – die Digitalisierung im Unternehmen unbedingte Pflicht und nicht etwa notwendiges Übel. Erfolgreiche Innovationsprojekte sind für die Verkaufsfähigkeit höchst relevant. Schliesslich müssen auch Markenwert und Markenbekanntheit präzise unter die Lupe genommen werden.
- Regel 4: Nachfolger finden
Früher oder später kommt die Gretchenfrage: Wer soll das Unternehmen weiterführen? Sind es die Mitarbeitenden, ehemalige Lernende, Familienmitglieder oder muss die Firma an Dritte verkauft werden? Jede Form der Nachfolge hat eigene Gesetze. Klar jedoch ist: Keine Nachfolge ohne Emotionen. Man muss sich rechtzeitig mit dieser zentralen Frage befassen und alle Interessierten, Beteiligten und Betroffenen möglichst früh ins Boot holen. Auch beim Management Buyout (MBO) geht es um das frühzeitige Binden von potentiell Übernehmenden ans Unternehmen. Sei es mit einer Integration in die Geschäftsleitung, durch Einblick in die Zahlen oder mit einem attraktiven Aktienmodell. Mit dem Entscheid bezüglich der Nachfolge beginnt auch die unternehmerische Weiterbildung. Warum? Weil gute Fachkräfte in den seltensten Fällen auch ausgebildete Führungskräfte sind.
- Regel 5: Transparente Rechnung
Grundsätzlich erfreulich, wenn ein Unternehmen Gewinnsteuern zahlen muss. Das bedeutet, es ist fit und zukunftsorientiert aufgestellt. Allerdings neigen die meisten Unternehmen dazu, im Rahmen des steuerrechtlichen Interpretations-Spielraums, die Jahresrechnung steueroptimiert auszuweisen. Spätestens fünf Jahre vorher sollte damit Schluss sein und der Wandel zu einer transparenten Jahresrechnung vollzogen werden. Der Grund ist simpel: Für die Unternehmensbewertung zählt in erster Linie eine gesunde Ertragslage. Stille Reserven zu plausibilisieren ist immer Auslegesache und führt zu unnötigen Diskussionen.
- Regel 6: Finanzierungsmodelle
Die Finanzierung einer Unternehmensübernahme ist für Nachfolger eine Herausforderung, denn in den wenigsten Fällen kann der Kaufpreis vollständig aus eigenen Mitteln aufgebracht werden. Diese Tatsache bedingt eine vorzeitige Planung und eine Abwägung der Möglichkeiten.
Klassischer Bankkredit: ist vereinfacht gesagt abhängig vom plausiblen, fairen Preis und der Kompetenz des Nachfolgers. Die Bank finanziert in der Regel 50 – 60 Prozent des Kaufpreises. Als Faustregel gilt, dass die Rückzahlung des Kredits über einen Zeitraum von vier bis sieben Jahren aus dem freien Cashflow möglich sein sollte.
Nicht immer reichen Eigenkapital und Bankkredit. In solchen Fällen kann eine Verkäuferin die Finanzierung mit einem Verkäuferinnendarlehen erleichtern: Dabei bezahlt der Käufer üblicherweise einen wesentlichen Teil des Preises sofort. Für den Rest gewährt ihm die Verkäuferin ein vertraglich festgelegtes Darlehen, das kombiniert mit einer Bankfinanzierung zumeist nachrangig gewährt wird.
- Regel 7: Fachleute beiziehen
Der Verkaufsprozess ist für die meisten Unternehmer Neuland: Es empfiehlt sich, eine externe Begleitung für den gesamten Nachfolgeprozess zu holen – weil der Prozess von der externen Fachperson zielgerichtet und unabhängig geführt werden kann. Bei unprofessioneller Vorbereitung und Durchführung entstehen Risiken. Auf der emotionalen Seite kann es so weit gehen, dass die Familie am Ende zerstritten ist. Auf der technischen Ebene übernimmt möglicherweise ein Familienmitglied, welches das Geschäft entweder gar nicht will oder die Fähigkeiten dazu nicht besitzt. Auch die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Lebensweisen erschweren eine reibungslose Nachfolgeregelung. Man muss sich früh mit den wichtigsten Etappenzielen auseinandersetzen. In fast allen Fällen, bei denen der Nachfolgeprozess scheiterte, fehlte der entsprechende Prozessablauf. Hier bietet eine neutrale, externe Fachperson wertvolle Unterstützung.
- Regel 8: Gesellschaftsform analysieren
Am Ende spielt bei der Unternehmensnachfolge auch das Gesellschaftsrecht eine wesentliche Rolle. Verkauf oder Nachfolge einer Personen- oder Kollektivgesellschaft hat meist steuerliche Folgen, weil stille Reserven aufgelöst werden müssen. Auch hier gilt: Die frühzeitige Planung einer allfälligen Umwandlung ist entscheidend. Nach der Umwandlung einer Personengesellschaft in eine juristische Gesellschaft kann eine Firma erst nach fünf Jahren steuerfrei verkauft werden. Dieselbe Sperrfrist gilt für die Abspaltung eines Geschäftszweiges einer juristischen Person in eine neue Kapitalgesellschaft (z.B. Betriebsgesellschaft / Immobiliengesellschaft).
Bereits die Menge der Vorbereitungs-Regeln macht deutlich, warum sich eine frühzeitige Planung der Nachfolge empfiehlt. Das «Lebenswerk Unternehmen» ist mit so viel Arbeit und Verzicht verbunden, dass auch der letzte Schritt ebenso einwandfrei wie gewinnbringend vollzogen werden sollte.
Dringende Nachfolgefrage
Über 90'000 Schweizer Unternehmen stehen in den kommenden fünf Jahren vor einer Nachfolgeregelung. Rund 40 Prozent werden innerhalb der Familie übertragen, bei 20 Prozent erfolgt die Übergabe innerhalb des Unternehmens und bei rund 40 Prozent wird das betroffene Unternehmen an Dritte verkauft. Unabhängig von der Art der Übergabe ist ein frühzeitiger Start des Projekts «Nachfolge» von grösster Wichtigkeit.